Wie du einen Business Case für Weiterentwicklung formulieren kannst
May 05, 2025Das Thema Weiterentwicklung sorgt immer wieder für Streit zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Oft ist das liebe Geld der Auslöser für den Streit - wenn Unternehmen sparen müssen oder wollen, wird das Budget für Weiterentwicklung gerne als erstes gestrichen oder gekürzt. In diesem Beitrag werde ich zeigen, wie du den Nutzen klar artikulierst und Weiterentwicklung eine zwingende Notwendigkeit wird.
Übliche Sichtweise
In den meisten Unternehmen wird Weiterentwicklung als „Goodie“ gesehen. Eigentlich überflüssig, aber zur Motivation oder Belohnung kann man verdienten Mitarbeitern mal eine Schulung spendieren. Mit dieser Sichtweise ist es auch leicht erklärt, warum derartige Budgets schnell gestrichen werden. Es lohnt sich aber meines Erachtens, drei unterschiedliche Szenarien der Weiterentwicklung zu unterscheiden:
- Lücken
- Wartung
- Inspiration
Lücken
Du brauchst in deinem Team eine bestimmte Fähigkeit oder eine bestimmte Expertise, die du noch nicht hast. Einfach um diese Lücke zu schließen, musst du deine Mitarbeiter weiterentwickeln.
Wartung
Dein Auto bringst du alle paar Jahre zur Inspektion. Warum eigentlich? Es fährt doch?! Ja - und du willst relativ kostengünstig die Lebensdauer und Funktionsfähigkeit verlängern. Im Kontext von Menschen über Lebensdauer zu sprechen, ist vielleicht etwas makaber. Im Kern geht es aber um das gleiche Prinzip - die Fähigkeiten deiner Mitarbeiter sollten nicht degradieren, sondern im auf aktuellem Stand gehalten werden.
Inspiration
Weiterentwicklung als Inspiration hilft, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Welche Methoden setzen andere Unternehmen ein? Welche Technologien befinden sich auf dem Vormarsch? Mit welchen Problemen beschäftigen sich andere Branchen? Es geht also gerade nicht um eine zielgerichtete, spezifische Schulungsmaßnahme, sondern eher um Gedankenanstöße.
Notwendige Fähigkeiten
Welche Fähigkeiten braucht ihr also im Team? Hier hilft es, sich über drei Faktoren Gedanken zu machen:
- Fähigkeit: Was zu tun ist
- Grad der Expertise: Notwendige Qualifikation, z.B. Anfänger, Profi, Experte
- Anzahl: Wie viele Menschen es mit der Fähigkeit und Expertise braucht
Ich versuche das am Beispiel einer Pizzeria zu erläutern. Du brauchst vermutlich die Fähigkeit „Pizza backen“. Du benötigst vermutlich mindestens die Expertise „Profi“ und einen Menschen. Darüber hinaus brauchst du die Fähigkeit „kellnern“, Qualifikation Anfänger und Profi, Anzahl 2 und 1. Schließlich benötigst du die Fähigkeit „Negroni kredenzen“, Expertise Experte und Anzahl 1. Das Alleinstellungsmerkmal deiner Pizzeria ist schließlich der Negroni, der jeden Gast umhaut.
Fähigkeit |
Qualifikation |
Anzahl |
Pizza backen |
Profi |
1 |
kellnern |
Anfänger |
2 |
kellnern |
Profi |
1 |
Negroni kredenzen |
Experte |
1 |
Wenn du eine Bestandsaufnahme machst und feststellst, dass der Negroni Kredenzer die Expertise Profi hat, dann ist leicht zu vermitteln, dass du entweder in seine Weiterentwicklung investieren musst oder einen anderen Menschen suchen musst.
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich in diesem Beispiel unterschiedliche Granularitäten vermischt habe. “Pizza backen” und “kellnern” ist eher generisch, “Negroni kredenzen” eher spezifisch. Mit Blick auf das Thema Weiterentwicklung ist es aber hilfreich, sehr spezifisch zu werden. Wir könnten die Fähigkeit “kellnern” also detaillieren, z.B. in die Elemente Erinnerungsvermögen, Belastbarkeit, Empathie, Grundrechenarten, Ausdrucksvermögen, Besondere Inhaltsstoffe etc. Erst jetzt lassen sich wirklich Unterschiede zwischen Soll und Ist herausarbeiten.
Diese Übung macht ihr mit eurem Team.
Wenn du jetzt über Weiterentwicklung sprichst, dann kannst du über geschäftlichen Nutzen sprechen. Welchen Nutzen hat der perfekte Negroni im Vergleich zu durchschnittlichem? Welchen Nutzen hat ein empathischer Kellner? Welchen Nutzen hat die Fähigkeit, die Inhaltsstoffe jedes Gerichts parat zu haben?
In den meisten Fällen übersteigt der Nutzen den Invest deutlich. Dann wäre es aus Unternehmenssicht einfach dämlich, diese Weiterentwicklung nicht zu unterstützen.
Wartung
Funktioniert das auch im Kontext von Wartung? Also der Erhaltung der Leistungsfähigkeit? Meines Erachtens schon, auch wenn ich jetzt den unschönen Wechsel vornehme, Menschen als Ressourcen zu betrachten. Warum? Weil Ressourcen über den angenommenen Nutzungszeitraum abgeschrieben werden. Der brandneue Laptop ist nach 1 Jahr buchhalterisch nichts wert, dein Schreibtisch kann über 13 Jahre abgeschrieben werden, der Porsche als Dienstwagen über 6 Jahre.
Und deine Fähigkeiten? Wie lange kannst du von deinem Wissen und deinen Fähigkeiten zehren, bis sie nichts mehr wert sind? Das hängt sicherlich von der jeweiligen Fähigkeit ab, ich würde von 5 – 15 Jahren ausgehen. Für das weitere Beispiel gehe ich von 10 Jahren aus.
Welchen Wert solltest du als Basis für die Abschreibung ansetzen? Nun, meine Argumentation lautet 3x das Monatsgehalt für Headhunter & Co sowie 1 Jahresgehalt für Einarbeitung on the job, bis der Mensch die Besonderheiten des Unternehmens wirklich verinnerlicht hat. Bei einem Jahresgehalt von 80.000€ sind das also 100.000€, die über 10 Jahre abgeschrieben werden.
Im Umkehrschluss sollte ein Unternehmen jedes Jahr 10.000€ in die Weiterentwicklung investieren, nur um den Wert zu erhalten.
Alte Controller-Weisheit: Sagt der eine CFO zum anderen: „Stell Dir vor, ich investiere so viel in meine Mitarbeiter – und sie verlassen mich dann!“ Woraufhin der andere entgegnet: „Und stelle Dir vor, Du investierst all das nicht in Deine Mitarbeiter – und sie bleiben!“
Innovation
Wie lässt sich schließlich ein Business Case für Gedankenanstöße konstruieren? Nun, zuerst ist es entscheidend, dass das eigene Unternehmen grundsätzlich die Notwendigkeit von Innovationen sieht. Der frühere CEO von Accenture, Bill Green, sagte so trefflich “one step in today, one step in tomorrow”.
In einem zweiten Schritt kannst du die Diskussion führen, wie derartige Innovationen oder Gedankenanstöße in deinem Bereich passieren. Recruiting neuer Mitarbeiter? Einsatz von externen Beratern? Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeiter? Eine Mischung?
In diesem Mix von Optionen ist die Weiterentwicklung tendenziell die günstigste Variante.
Think outside the box
Wenn ich in diesem Kontext von Weiterentwicklung spreche, dann spreche ich nicht ausschließlich von Schulungen. Die Möglichkeiten sind endlos: Schulungen, Online-Trainings, Coaching, Mentoring, Bücher, Konferenzen, Brown-Bag-Sessions, Hospitation, Job Rotation, 20%-Time, Durchführung eigener Trainings, ...
Interessanterweise beurteilen die meisten Unternehmen zwei Arten von Aufwand völlig unterschiedlich: Die Zeit der Mitarbeiter spielt selten eine Rolle – obwohl sie nicht ihre “eigentliche” Arbeit erledigen können. Meist ist es tatsächlich der Euro-Betrag, der das Unternehmen verlässt, der Schmerzen verursacht.
Insofern sei kreativ in deiner Argumentation und berücksichtige den Engpass in deinem Unternehmen.
Fazit
Die lapidare Aussage “ich will eine Schulung besuchen” funktioniert oft nicht. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Weiterentwicklung nicht möglich ist. Es bedeutet lediglich, dass du die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung aus Sicht des Unternehmens formulieren solltest und den Nutzen für das Unternehmen und ggf. deinen direkten Chef hervorstellen solltest. Sie eine initiale Ablehnung bitte nicht als das Ende der Welt, sondern als Ansporn, in deiner Argumentation besser zu werden.
Es gibt immer Mittel, Wege und Ausnahmen, wenn die Argumentation stichhaltig und der Nutzen hoch ist.
Was sind deine Erfahrungen? Teile sie gerne.
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