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Woran du erkennst, dass du in einer toxischen Umgebung arbeitest

vertrauen Apr 03, 2017

Ich habe ein Bild wie dieses vor kurzem auf LinkedIn gefunden. Natürlich enthält es ein Fünktchen Wahrheit, es ist aber auch etwas polemisch. Was mich am meisten stört, ist eine Geisteshaltung „die da oben müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Ich selbst kann nichts tun.“

Don´t ask what your country can do for you. Ask what you can do for your country.

Gerade als Projektleiter haben Sie einen gewissen Gestaltungsspielraum. Sie können beeinflussen, wie das Projektteam zusammenarbeitet.

Es existiert kein Teamwork

Ein Projekt ohne Teamarbeit kann ich mir nur schwer vorstellen. Wenn es sich nicht nur um einzelne Phasen handelt (ich muss jetzt mal 2 Tage konzentriert arbeiten), würde ich mich fragen, warum es keine Zusammenarbeit gibt.

  • Liegt es am fehlenden Vertrauen? Versuchen Ihre Teammitglieder über Wissensmonopole ihren Job zu sichern?
  • Liegt es an einer zu starken Spezialisierung? Sind Ihre Teammitglieder Spezialisten in einem sehr engen Feld und „verstehen“andere Kollegen schlicht nicht (Stichwort „T-shaped-skills“)?
  • Liegt es an der bisherigen Arbeitsweise, welche für Dinge wie z.B. Pair-Programming keinen Raum ließ?

Was auch immer der Grund – die Lösung wird sehr individuell sein. Aber Sie können die Situation gemeinsam mit dem Team verändern. Kein Grund, auf „das Management“ zu warten.

Bei Problemen werden Schuldige gesucht und keine Lösungen

Auch hier wieder die Frage: warum werden Schuldige gesucht? In der Vergangenheit habe ich dieses Phänomen in zwei Ausprägungen erlebt.

  • Das Unternehmen ist stark durch Regulierung, Standardisierung und Prozessqualität geprägt. Das Ziel ist eine Null-Fehler-Quote. In einem derartigen Umfeld werden Fehler oft sanktioniert, weil sie tendenziell das Ergebnis von Abweichungen “vom Standard“ sind
  • Es handelt sich um ein Harakiri-Projekt, bei dem schon zu Projektstart feststeht, dass es nicht erfolgreich sein wird. Hier versucht jeder Projektmitarbeiter, seinen eigenen Arsch zu retten und einen „Freifahrtschein“ zu bekommen.

In der ersten Situation können Sie deutlich machen, das die üblichen Regeln des Unternehmens im Projekt nicht praktikabel sind. Die folgende Grafik (entlehnt aus Management 3.0) kann Ihnen helfen, den Unterschied zwischen vermeidbaren Fehlern (schlecht) und fehlgeschlagenen Experimenten (gut) zu verdeutlichen.

In die zweite Situation sollten Sie als Projektleiter nicht kommen… akzeptieren Sie keine aussichtslosen Projekte!

Es gibt Regeln, die niemand befolgt

Eine Unternehmenskultur wird durch das Verhalten definiert, das gerade noch nicht sanktioniert wird. Ähnlich verhält es sich auch im Projekt. Pünktliches Erscheinen zu Besprechungen, aktualisierte Statusberichte, Einhalten von Deadlines… wird das Fehlverhalten regelmäßig toleriert, so wird die Ausnahme schnell zur Regel. Andererseits muss nicht jede Regel blind befolgt werden – was vor 2 Jahren sinnvoll war, muss es heute nicht mehr sein. Insofern sollten Sie als Projektleiter zweierlei tun:

  • Überlegen Sie, welche Regeln & Verabredungen für den Projekterfolg entscheidend sind und setzen Sie diese durch. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran.
  • Überprüfen Sie gemeinsam mit dem Team in regelmäßigen Abständen die Regeln und Konventionen, die im Projekt gelten. Wenn eine Regel nicht mehr passt – streichen Sie sie oder passen Sie sie an. In agilen Projekten bietet sich hierfür die Retrospektive an, in klassischen Projekten führen Sie etwas Vergleichbares ein.

Es zirkulieren Gerüchte und Tratsch

Zwei ähnliche Themen, mit denen Sie als Projektleiter aber aus meiner Sicht unterschiedlich umgehen sollten. Gerüchte sprießen oft, wenn es eine eingeschränkte Informationspolitik gibt. Manche Informationen sind nur für Führungskräfte. Manche Informationen warten auf den richtigen Zeitpunkt. Manche Informationen könnten falsch verstanden werden. Also kommunizieren wir besser nichts. Aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern. In der Regel können Ihre Mitarbeiter die Informationen richtig einschätzen und im Interesse des Projektes nutzen. Zwei konkrete Hinweise:

  • Verteilen Sie freizügig Informationen, die das Projekt im engeren und weiteren Sinne betreffen. Im Zweifel lieber zu viel als zu wenig kommunizieren.
  • Veranstalten Sie regelmäßig „frag alles“ Sitzungen. Ihre Mitarbeiter können Sie alles fragen, insbesondere auch zu Gerüchten. Antworten Sie offen und ehrlich. Für Sie hat dies zwei Vorteile:
    • Sie kennen die Gerüchte, die kursieren
    • Sie haben eine Chance, die Gerüchte zu bestätigen oder zu entkräften. In jedem Fall handelt sich aber nicht mehr um ein Gerücht, sondern um Fakten.

Tratsch sollten Sie aus meiner Sicht konsequent unterbinden, insbesondere wenn über andere Kollegen getratscht wird.

  • Gehen Sie mit gutem Beispiel voran
  • Wenn Sie Getratsche mitbekommen, bitten Sie die Kollegen, das Thema direkt mit dem Betroffenen zu diskutieren
  • Stellen Sie ggf. eine Regel auf, dass nur über anwesende Personen gesprochen wird

Es existiert kein Entwicklungsplan für Mitarbeiter

Dies ist ein Punkt, auf den ich mittlerweile allergisch reagiere. Er impliziert, dass andere (der Chef, die Personalentwicklung, …) für die Entwicklung der Mitarbeiter verantwortlich sind. Falsch. Jeder Mitarbeiter ist für seine eigene Entwicklung verantwortlich. Nur er kann wissen, welches seine Ziele, Leidenschaften, Veränderungsnotwendigkeiten sind. Es gibt keinen Grund, dass jeder Mitarbeiter seinen eigenen Entwicklungsplan erstellt (außer die eigene Bequemlichkeit).

Als Projektleiter können Sie allerdings unterstützen:

  • Sie können Ihre Projektmitarbeiter auffordern, einen Entwicklungsplan zu erstellen
  • Sie können die Rahmenbedingungen schaffen, den Plan (oder zumindest Teile davon) umzusetzen:
    • Zeit für Weiterentwicklung kann trotz Projektdeadlines genommen werden (klappt bei Urlaub ja auch)
    • Geld für Weiterentwicklung steht zur Verfügung (wenn notwendig, kann ein Businesscase für das Projekt oder Unternehmen meistens leicht gerechnet werden)

Wie heißt es so schön: Hilfe zur Selbsthilfe.

Es gibt keine Klarheit in Bezug auf Aufgaben und Ziele

Ich gebe es zu: an dieser Stelle bin ich der Falsche, um Ratschläge zu geben… mir fällt es extrem schwer, Aufgaben klar voneinander abzugrenzen und ich gehe gerne den Weg von „Prinzipien“ und „gesundem Menschenverstand“. Was in jedem Fall hilft, ist eine gemeinsame Vision, siehe meine Artikel zu XXX XX. Eine gemeinsame Vision hilft jedem Mitarbeiter im Projekt, die eigenen Entscheidungen auf das übergreifende Ziel auszurichten.

Andere brüsten sich mit den Ergebnissen deiner Arbeit

Ein schwieriges Feld. Ich sehe hier drei unterschiedliche Varianten:

  • Ihr Vorgesetzter brilliert mit Ihren Ideen und Ihren Ergebnissen. Hier hilft oft das direkte Gespräch. Vielleicht können Sie Ihren Chef davon überzeugen, beim nächsten Mal eine Formulierung wie z.B. „Herr Müller und ich…“ zu nutzen. Ihr Chef muss nicht mit tollen Ideen glänzen, Ihr Chef glänzt mit exzellenter Mitarbeiterauswahl und –förderung.
  • Ihr Kollege brüstet sich mit Ihren Ergebnissen. Schreiten Sie ein! Widersprechen Sie ihrem Kollegen und machen Sie deutlich, wer das Ergebnis produziert hat. Und vertrauen Sie darauf, dass andere sehen, wer leistet und wer blendet. Einmal kann man Chef und Kollegen täuschen, ein zweites Mal vielleicht, danach wird es schwierig.
  • Sie selbst brüsten sich mit den Ideen Ihres Projektteams. Warum nur? Ansonsten siehe Punkt 1… formulieren Sie einfach „Herr Müller und ich…“

Der erste und dritte Punkt betrifft insbesondere Projektleiter, die auf Grund Ihres Fachwissens zum Projektleiter ernannt wurden, ggf. auch nur für ein einziges Projekt. In der Linienaufgabe sind gute und eigene Ideen wichtig für den Erfolg, als Projektleiter sind andere Faktoren wichtiger.

Ich hoffe, dieser Artikel hat Ihnen einige Anregungen gegeben, wie Sie – alleine und mit Ihrem Team – die Rahmenbedingungen der Arbeit verändern können. Ja, es ist anstrengend. Ja, Sie werden mit Ihren Ideen anecken. Ja, der Erfolg ist ungewiss. Ja, es liegt in IHRER Hand!

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