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Zufällige Kommunikation ist alles, was du brauchst

kommunikation leadership Feb 05, 2024
 

Ich - und auch andere - stolpere regelmäßig über zwei Herausforderungen:

  1. In einem Unternehmen möchte man wissen, für welches Problem es bereits eine IT-Lösung gibt
  2. In einem Unternehmen möchte man wissen, wer ein Thema schonmal bearbeitet hat und entsprechende Erfahrung besitzt

Die meisten meiner Kollegen sind IT-affin. Insofern ist der erste Reflex meistens: „Das müssen wir digitalisieren, dafür brauchen wir ein Tool.“ Nichts liegt ferner der Realität… du brauchst nur den Zufall. Was ich damit meine, erläutere ich in diesem Beitrag.

Gibt es schon eine Lösung

Lass uns mit der Fragestellung beginnen, ob es schon eine Lösung gibt. Im Kern geht es darum, das Rad nicht jedes Mal neu zu erfinden. Dieses Rad kann jetzt beliebig groß oder auch klein sein. Ich versuche das mit ein paar Beispielen zu erläutern.

Vor einigen Jahren standen wir vor der Herausforderung, das komplette eCommerce-System eines Unternehmens zu erneuern. Aber was genau ist „das komplette System“? Welche Komponenten oder Teile müssen wir betrachten? Wie hängen diese zusammen? Gibt es dafür eine Blaupause, eine Landkarte? Ja, gab es.

Ein anderes Mal wollten wir die Booking Engine eines Reiseveranstalters erneuern. Müssen wir alles neu entwickeln? Nein, in einer Ecke des Unternehmens gab es bereits eine ausgezeichnete IBE, die wir nur adaptieren und integrieren mussten.

Oder auch: Wir wollten eine Notfallorganisation für eine kritische Systemeinführung etablieren. Müssen wir alles neu definieren? Rollen, Prozesse, Kommunikationswege usw.? Nein, diese Art der Organisation gab es bereits und wir mussten sie nur etwas adaptieren.

Gerade in großen Unternehmen ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass ein bestimmtes Problem schon einmal gelöst wurde. Dein Problem verändert sich - du musst nicht mehr eine Lösung erarbeiten, sondern die existierende Lösung im Unternehmen finden.

Wer hat das schonmal gemacht

Eine ähnliche Fragestellung hast du, wenn du nicht nach einer Lösung suchst, sondern nach Know-How. Wer hat Erfahrung mit einer bestimmten Technologie? Wer ist der Guru für automatisierte GUI-Tests? Wer kann mir die Enterprise-Architektur für eine bestimmte Ecke des Unternehmens erklären? Wer ist der Experte für Anwenderbefragungen?

Auch hier: Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass irgendjemand sich bereits mit deinem Thema beschäftigt hat und Erfahrungen gesammelt hat. Je mehr Menschen im Unternehmen, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Aber hier kommt noch hinzu, dass die meisten Menschen eine Vorgeschichte und Hobbys haben, die nicht sofort sichtbar sind. Vielleicht hat dein UX-Spezialist vor 5 Jahren in der Marktforschung gearbeitet und Kunden interviewed. Vielleicht ist euer DB2-Administrator Initiator der Cobol-2030-Plattform - who knows?

Die Herausforderung ist also, die richtige Person mit der passenden Erfahrung zu finden. Im Team kannst du einfach fragen, in kleinen Unternehmen eine Mail schreiben, aber irgendwann wird es schwierig. Eine Mail an alle 200.000 Mitarbeiter eines Konzerns? Hmm…

Digitalisierung ist (k)eine Lösung

Alles klar, denkst du vielleicht, dann bauen wir jetzt eine Wissensdatenbank auf. Dort kippen wir einerseits die relevanten Ergebnisse eines Releases oder eines Projektes rein und andererseits dokumentiert jeder Mitarbeiter seine Erfahrungen. Anschließend kann man in der Wissensdatenbank suchen und findet die passenden Lösungen bzw. Kollegen. Es ist dann nur noch eine Frage des Suchalgorithmus, die perfekten Treffer herauszupicken.

Dieser Ansatz funktioniert mittelgut. Ich habe es selber in mehreren Unternehmen und von beiden Seiten erlebt - ich durfte Ergebnisse und Know-How dokumentieren und auch nach Lösungen und Erfahrungen suchen. Warum also nur mittelgut?

  1. Unterschiedliche Incentivierung. In den meisten Fällen sind die Kollegen, die Lösungen und Erfahrungen dokumentieren sollen, nicht deckungsgleich mit den Suchenden. Ja, wenn ich von meinem Chef aufgefordert werde, etwas zu dokumentieren, dann mache ich das selbstverständlich. Aber wieviel Zeit, Energie, Sorgfalt und Gehirnschmalz stecke ich in eine Aktivität, die mir persönlich keinen Mehrwert bringt?
  2. Unterschiedliche Sichtweisen und Begriffe. Der Eine spricht von Straßenbahnen, der Andere vom ÖPNV. Der Eine sucht konkret nach Erfahrung im Stakeholdermanagement, der Andere ist auf der gleichen Suche, benutzt aber den Begriff Projektmanagement. Sobald viele Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Zielen in einem Wissensmanagementsystem zusammenarbeiten, stolperst du über derartige Herausforderungen.

Zufällige Kommunikation

Ein radikal anderer Ansatz ist zufällige Kommunikation. Und nein, es handelt sich nicht um Raketenwissenschaft oder eine neue Doktorarbeit - es ist viel simpler. Wie heißt es so schön: „Greifen wir zum Äußersten - sprechen wir miteinander“.

Du bist auf der Suche nach einem Kollegen mit Erfahrung im Themengebiet xyz. Du rufst 10 Kollegen an und schilderst ihnen dein Bedürfnis. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass einer von ihnen sagt „Boah, das ist schon drei Jahre her, damals gab es irgendeinen Spezialisten für xyz im Projekt A. Keine Ahnung wie der Typ hieß, der Projektleiter war Meier“. Und schon hast du eine heiße Spur und kannst dich weiter durch’s Unternehmen telefonieren, bis du den richtigen Menschen gefunden hast.

Ihr sitzt im Bereichsmeeting. Jede Woche stellt ein anderes Team das eigene Projekt und die technischen Details vor. Du erzählst, was ihr euch im nächsten Quartal vorgenommen habt. Dein Bereichsleiter runzelt die Stirn: „Moment, ich habe doch vor 2 Wochen im Meeting M gehört, dass im Nachbarbereich das Team T am Thema xyz arbeitet. Das klingt doch sehr ähnlich. Sprich doch bitte mal mit Meier, nicht dass wir das Gleiche zweimal machen.“ Und schon hast du einen Anhaltspunkt, um überflüssige Arbeit zu vermeiden oder Kräfte zu bündeln.

Woran liegt’s? Am Zufall. Zufällig rufst du ausgerechnet Schulze an, der dich an Meier weiterleitet. Zufällig berichtest du zur richtigen Zeit im Bereichsmeeting von eurem Vorhaben und der Bereichsleiter gibt dir den entscheidenden Tip. Zufällig rufe ich Beate an, die mir sagt, dass ich evtl. xyz zweckentfremden könnte, aber immerhin eine stabile Basis habe. Ja, einerseits sind das alles Zufälle. Andererseits braucht es den Willen und Raum für diese Zufälle. Meine Kollegen müssen mir helfen wollen und ernsthaft in ihrem Gedächtnis kramen. Wenn ich 10-mal abgewimmelt werde, wie viele weitere Versuche werde ich starten? Teams und Bereiche müssen offen über ihre Aktivitäten sprechen und Zuhörer müssen zuhören und nicht auf dem Handy rumdaddeln. Closed-Shop-Prinzipien und desinteressierte Zuhörer führen nicht gerade zu ausführlichen, transparenten Berichten über laufende Aktivitäten.

Fazit

Sind Wissensmanagementsysteme also überflüssiger Firlefanz und das einzig Wahre ist die persönliche Kommunikation? Nun… mach das Eine, ohne das Andere zu lassen. Mir geht es um dreierlei:

  1. Wissensmanagementsysteme können dir natürlich helfen - aber vermutlich können sie menschliche, direkte Interaktion nicht ersetzen. Insofern berücksichtige das bei dem Aufwand, den du für Einführung, Pflege und Suche betreibst.
  2. Digitale Helferlein können dir wunderbare Anhaltspunkte liefern, wo du deine Gespräche beginnen könntest.
  3. Sprich offen und transparent über deine Vorhaben, und hör zu, wenn andere erzählen. Vielleicht bist du derjenige, der zwei Informationspunkte verknüpft und die richtigen Personen oder Themen zusammenbringt.

In diesem Sinne: Greif auch du zum Äußersten: Sprich mit deinen Kollegen! Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Umsetzung.

 

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